- Viele der neuen Regelungen sind für die Verbraucher äußerst positiv
- Künftig ist die eindeutige und aktive Einwilligung in die Datennutzung nötig
- Bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit drohen allerdings Nachteile
Endlich hat sich Europa einheitliche Spielregeln für den Datenschutz gegeben: Am 24. Mai ist nach vierjährigen Verhandlungen die Datenschutz-Grundverordnung der EU in Kraft getreten. Zwei Jahre haben die Mitgliedsstaaten nun Zeit, ihre nationalen Regeln anzupassen. Dann wird die Verordnung die Datenschutzrichtlinie aus dem Jahr 1995 ablösen und damit auch die bisherige Datenschutzgesetzgebung in Deutschland ersetzen. Die Zeit muss die Bundesregierung dringend nutzen, denn mit der aus Verbrauchersicht grundsätzlich positiven Verordnung droht beim Scoring, also der automatisierten Bewertung der Kreditwürdigkeit, ein rechtlicher Rückschritt.
Viele gute Regelungen
Insgesamt ist der finale Gesetzestext besser ausgefallen, als man es während der Verhandlungen befürchten musste. Trotz Lobbyarbeit bisher unbekannten Ausmaßes von europäischen und US-amerikanischen Wirtschaftsverbänden wurden die Vorschläge der EU-Kommission und des Europäischen Parlaments nicht völlig verwässert.
Aus Sicht der Verbraucher sind viele der neuen Regelungen sehr gut. Dazu zählt etwa das Marktortprinzip, das für alle Unternehmen gilt, die auf dem europäischen Markt tätig sind. Kein Anbieter kann sich dem mehr entziehen mit dem Verweis, seinen Hauptsitz auf der anderen Seite des Atlantiks zu haben. Positiv ist auch die Stärkung der Grundprinzipien des Datenschutzes: Verbraucher müssen künftig eindeutig und aktiv in die Nutzung ihrer Daten einwilligen. Ein Unternehmen darf Daten zudem nur in dem Umfang verarbeiten, der notwendig ist, um den angestrebten Zweck zu erfüllen. Unternehmen, die sich nicht an die neuen Regeln halten, müssen mit höheren Strafen rechnen.
Scoring: Datenschutzniveau droht zu sinken
Gleichzeitig enthält die Verordnung auch schwache Bestimmungen. So sind die Regelungen zum (Kredit-)Scoring deutlich unbestimmter und weniger differenziert als das aktuell gültige Bundesdatenschutzgesetz. Das Scoring ist ein automatisiertes Verfahren, bei dem verschiedene Kriterien, wie etwa das bisherige Rückzahlungsverhalten, Laufzeitverträge und Wohnort, herangezogen werden, um die Kreditwürdigkeit eines Verbrauchers abzuschätzen und in einem Zahlenwert – dem Scorewert – darzustellen. Derzeit ist das Scoring allein mit Anschriftendaten nicht erlaubt, wäre im Rahmen der neuen Verordnung aber möglich. Anders als heute könnten auch finanzielle Forderungen, die ein Verbraucher bestreitet, an Auskunfteien gemeldet werden und in die Bonitätsbewertung einfließen. Mögliche Folge: Verbraucher lenken aus Angst vor den Konsequenzen eines schlechten Scorewerts gegenüber Forderungsgebern ein und akzeptieren unberechtigte Forderungen.
Die Bundesregierung hat stets betont, dass der deutsche Datenschutzstandard durch die Datenschutz-Grundverordnung nicht abgesenkt werden dürfe. Die Beispiele zeigen jedoch, dass beim Scoring genau das droht. Deshalb muss die Bundesregierung die vorgesehenen Öffnungsklauseln sowie alle anderen rechtlichen Spielräume ausschöpfen, um den bisherigen Standard zu halten. Insbesondere sollte sie prüfen, inwieweit einzelne Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes in andere Gesetze aufgenommen und damit gewissermaßen gerettet werden können. Die Zeit drängt: Um noch vor der Bundestagswahl 2017 zu einem Ergebnis zu kommen, muss die Bundesregierung zeitnah Vorschläge vorlegen. Alles andere würde zu jahrelangen Rechtsunsicherheiten führen – für Verbraucher und Unternehmen.
Vollständiges Impressum
http://www.youtube.com/watch?