
Immer wieder sehen wir Unternehmen und Organisationen, welche nicht oder nur ungenügend auf Krisen vorbereitet sind und ihre Krisenorganisation kaum überprüfen und trainieren. Sowohl positive wie auch negative Beispiele zeigen, dass es sich lohnt frühzeitig in das Notfall- und Krisenmanagement zu investieren. Die besten positiven Beispiele nehmen wir oft gar nicht wahr, weil das Potential für eine Katastrophe von den Verantwortlichen frühzeitig erkannt wird und die richtigen Massnahmen getroffen werden, noch bevor der Fall für die Allgemeinheit respektive für die Medien interessant wird. Nicht immer lässt sich eine Krise im Keim ersticken. Ein schweres Unglück mit Verletzten und Toten stellt ein Unternehmen, sowohl emotional wie auch organisatorisch, vor grosse Herausforderungen und lässt sich auch nicht von der Öffentlichkeit fernhalten.
Reputationsgewinn oder -verlust in der Krise
Als positives Beispiel nenne ich an dieser Stelle das Notfall- und Krisenmanagement von Germanwings, respektive der Muttergesellschaft Lufthansa nach dem Absturz der Airbus-Maschine vom 24. März 2015 über Südfrankreich. Das Unternehmen ist mit einem starken Reputationsbonus in diese Krise eingestiegen und konnte diese im Verlauf sogar noch ausbauen. Der Verdacht, dass hier eine Billig-Airline mit Billig-Piloten am Werk sei, kam gar nie auf. Das Unternehmen hat sehr rasch und detailliert informiert, sich konsequent von Spekulationen distanziert und auch Informationen preisgegeben, die das Unternehmen möglicherweise belasten konnten (Auszeit des Piloten). Zum andern folgten den Worten der Verantwortlichen auch Taten, beispielsweise wurde die 60-Jahr-Feier der Lufthansa abgesagt.
Natürlich gibt es auch immer wieder negative Beispiele. Lufthansa’s Allianzpartner und weltweit grösste Airline United Airlines hat in einer vermeintlich kleinen Krise falsch reagiert und dabei an Reputation, Ticketverkäufen und damit auch an Unternehmenswert verloren. Ein zahlender Passagier auf einem überbuchten Flug wurde von Sicherheitskräften brutal aus dem Flugzeug gezerrt. Andere Passagiere filmten den Vorgang und stellten sich auf die Seite des Passagiers. Diese Videoclips gingen sofort viral. Statt sich für das unverhältnismässige Vorgehen zu entschuldigen und dem Passagier eine grosszügige Kompensation anzubieten, hat sich der CEO für das Verhalten seiner Mitarbeiter gerechtfertigt und damit den Schaden massiv vergrössert. Mit einem raschen und korrekten Krisenmanagement und entsprechender Kommunikation (1. Fakten, 2. Bedauern, 3. Taten) wäre das Unternehmen nie in eine derartige Kommunikationskrise geschlittert.
Notfall- und Krisenmanagement als Versicherungslösung für Ihr Unternehmen
Mit dem ungenügenden Management einer Krise kann innerhalb kürzester Zeit auch in kleinen Unternehmen und Organisationen die lang aufgebaute Reputation und das Vertrauen von Mitarbeitenden, Kunden und Geschäftspartnern arg in Mitleidenschaft gezogen oder sogar ganz zerstört werden. Da in einem solchen Fall immer auch Unternehmenswerte vernichtet werden, ist es nicht nur verantwortungsvoll ein Notfall- und Krisenmanagement zu etablieren, es macht auch betriebswirtschaftlich Sinn. Die Aufwände für das Notfall- und Krisenmanagement sind sozusagen Ihre Versicherungsprämie für den Werterhalt Ihres Unternehmens im Krisenfall.
Vorbereitung in «Friedenszeiten»
Ein wesentlicher Faktor, ob sie in einer Krise an Reputation gewinnen oder verlieren, liegt in der Vorbereitung in «Friedenszeiten». Wir haben zwar keinen Einfluss auf ein Ereignis (z.B. Unfall), können aber mit unserer Reaktion das Ergebnis einer Krise wesentlich beeinflussen. Damit liegt es sehr stark in unserer Hand, ob eine Krise eine Gefahr bleibt oder mit unserer Reaktion sogar zu einer Chance (Reputationsgewinn) wird. Es finden sich immer Ausreden, sich nicht mit diesem Thema zu befassen: «Bei uns kann nicht viel passieren», «wir haben im Moment wichtigeres zu tun» oder man hat Angst vor praktischen Übungen. Investieren Sie in Ihrem Unternehmen oder Organisation mit einem Kernteam innerhalb von drei Monaten drei halbe Tage, um sich mit dem Notfall- und Krisenmanagement ihres Unternehmens zu befassen. Diskutieren Sie Ihr Vorgehen bei Krisen kontrovers aber ohne Druck, damit schaffen Sie ein gemeinsames Verständnis für den Umgang mit Krisen und führen Verantwortliche an die Thematik heran.
Szenarien und externe Nahtstellen
Überlegen Sie sich, welche Szenarien die Zukunft ihrer Organisation nachhaltig beeinträchtigen könnten. Sind es ein längerer Stromausfall, ein Brand, ein Shitstorm, Verlust von Schlüsselpersonal, eine Cyberattacke, ein Unfall oder der Konkurs eines wichtigen Lieferanten? Reduzieren Sie Risiken, wo dies notwendig und sinnvoll erscheint. Beispielweise hilft es, kritische Prozesse zu dokumentieren oder Versicherungslösungen zu prüfen. Oft sind Sie nicht in der Lage, Krisen aus eigener Kraft zu bewältigen. Allenfalls brauchen Sie externe Unterstützung im Bereich Krisenkommunikation oder bei der Betreuung von Mitarbeitenden oder Angehörigen. Überlegen Sie auch, welche externen Partner (z.B. Lieferanten, Kunden) von einer Krise in Ihrer Organisation tangiert wären und wie Sie die entsprechenden Stellen ausserhalb von Bürozeiten erreichen können. Etablieren Sie den Kontakt zu Behörden (z.B. Gemeinde, Polizei, Feuerwehr). Das vorgängige Thematisieren von Krisensituationen mit Nahtstellen vereinfacht die Zusammenarbeit in der Krise und macht bei Partnern und Behörden einen professionellen Eindruck.
Zusammensetzung, Alarmierung und Ausrüstung Krisenstab
Definieren Sie die Zusammensetzung Ihres Krisenstabs, welcher im Krisenfall die Unternehmensführung übernimmt. Nicht der Geschäftsleiter oder CEO, sondern ein Mitglied des Kaders, sollte den Krisenstab führen. So bleibt dem CEO die notwendige Zeit für die interne und externe Kommunikation, zudem kann er die Aufrechterhaltung des regulären Betriebs sicherstellen. Alle wesentlichen Geschäftsbereiche sollten im Krisenstab vertreten sein und durch einen starken Support mit mindestens zwei Personen unterstützt werden. Denken Sie an den längeren Betrieb eines Krisenstabes oder Abwesenheiten von Funktionsträgern; jede Funktion sollte mindestens einen, besser zwei Stellvertreter haben. Die Aufgaben der unterschiedlichen Funktionen sind auf Checklisten dokumentiert. Alle Prozesse und Kontakte fassen Sie am besten in einem einfach nutzbaren Krisenhandbuch zusammen. Dazu gehört auch die Definition der Alarmierung des Krisenstabs. Bedenken Sie, dass mit einer klassischen Alarmierung über Telefon sehr viel wertvolle Zeit verloren geht und prüfen Sie deshalb den Einsatz von automatisierten Alarmierungslösungen. Legen Sie einen Krisenraum fest und rüsten Sie diesen mit dem notwendigen Material (Krisenboxen mit Checklisten, vorbereitete Flipcharts, Laptops, Beamer, etc.) aus. Richtigen Sie sich so ein, dass der Krisenstab auch ohne IT-Lösung funktionsfähig sein kann.
Training, Training, Training
Mit regelmässigen Trainings und Übungen gewinnen sowohl die einzelnen Krisenstabsmitglieder wie auch das Kollektiv an Sicherheit. Wichtig ist, dass Sie bei der Ausbildung des Krisenstabs Erfolgserlebnisse schaffen, die Übungsanlage immer wieder verändern und auch externe Partner und Behörden miteinbeziehen. Führen Sie Übungen mindestens einmal jährlich, zuerst vorbereitet und später auch unvorbereitet, durch. So erhalten sie ein realistisches Bild der Krisenbereitschaft Ihrer Organisation. Verarbeiten Sie die Erkenntnisse nach Trainings oder Vorfällen in einem gemeinsamen Debriefing, passen Sie Ihre Prozesse wo notwendig an und dokumentieren diese entsprechend. Krisenstabsübungen sind nicht zuletzt auch Team-Building und schweissen eine Gruppe zusammen. Wir empfehlen Ihnen, Trainings und Übungen jeweils mit einem gemütlichen Zusammensitzen abzuschliessen, dabei bleibt genügend Zeit die Erlebnisse zu verarbeiten und Geschichten über vergangene Übungen zum Besten zu geben.
Über den Autor
Thomas Frischknecht führt als Managing Partner und Mitinhaber gemeinsam mit Reto Gasser die 2assistU GmbH. Thomas Frischknecht war über 25 Jahre in unterschiedlichen Funktionen für Fluggesellschaften und Flughäfen im In- und Ausland tätig. Während sieben Jahren führte er als CEO die Belair Airlines AG mit Sitz in Glattbrugg. Er ist ausgebildeter kaufmännischer Angestellter, hat an der Universität Zürich ein Executive MBA absolviert und sich zum Erwachsenenbildner ausbilden lassen. Er ist verheiratet, Vater von drei Teenagern und in seiner Freizeit am liebsten mit dem Mountain Bike unterwegs.
Über 2assistU GmbH
2assistU GmbH wurde 2011 gegründet und fokussiert sich auf massgeschneiderte Managementlösungen für das Notfall- und Krisenmanagement und Ausbildungen in den Bereichen Sicherheit und Qualität. Der Unternehmenssitz befindet sich im Technopark Aargau in Brugg / Schweiz.
Vollständiges Impressum
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