Egal ob in der Arbeitswelt, privat oder in der Öffentlichkeit – wir lügen täglich. Doch selbst wollen wir nicht belogen werden. FOCUS-Online-Gastautor und Gedankenleser Tobias Heinemann verrät, welche verräterischen Zeichen auf eine Lüge hindeuten.
Eine der großen Schwierigkeiten beim Erkennen von Lügen liegt darin, dass es keine Pinocchio-Nasen gibt – es existiert kein universales Zeichen, das eine Lüge eindeutig erkennen lässt. Wenn wir lügen, sind wir Stress ausgesetzt, haben eventuell Schamgefühle und verhalten uns nicht ganz natürlich. Der Lügner fühlt sich schuldig, weil er lügt oder wegen dem, was er zu vertuschen versucht. Er hat Angst vor den Konsequenzen – insbesondere, wenn viel auf dem Spiel steht.
Zur Person
Tobias Heinemann, in Deutschland geboren, in LondonTanz, Gesang und Schauspiel studiert und in der Schweiz zuhause. Er vereint seine Liebefür Beobachtungen, psychologische Strategien und raffinierte Kommunikationsmodelle und dringt so in die Köpfe der Menschen ein. Der Gedankenleser ist ein gern gesehener Talk-Gast und begeistert sein Publikum auf internationalen Bühnen.
Was ist eine Lüge
Bewusst oder unbewusst belügen wir unsere Mitmenschen tagtäglich unzählige Male.Wir freuen uns über ein Geburtstagsgeschenk, obwohl wir etwas anderes wollten. Wir sagen, das Essen habe geschmeckt, um niemanden zu beleidigen. Doch wie oft? Schätzungen gehen von ein bis zu 200 Mal pro Tag aus. Beide Angaben jedoch beruhen auf einer Lüge, denn es ist gar nicht so einfach, eine verlässliche Aussage darüber zu machen, was alles als Lüge oder Täuschung bezeichnet wird.
Streng genommen schwingt bei den meisten Komplimenten oder bei unserer Selbstdarstellung – sei es durch kleine Prahlereien oder durch das „Optimieren“ unseres Erscheinungsbilds – immer auch ein gewisser Grad an Unwahrheit mit. Es geht letztlich nicht nur darum, was wir sagen, sondern auch darum, was wir denken und aus Höflichkeit oder anderen Gründen nicht aussprechen.
Einige Verhaltensweisen geben Hinweise, dass das Gegenüber Sie gerade anlügen könnte.
Das sind Hinweise für eine Lüge
1. Gesichtszüge
Wir haben schon von klein auf gelernt, unsere Gesichtszüge zu kontrollieren. Wenn wir nun aber etwas Überraschendes fragen, bei dem der andere wirklich nachdenken muss, dann vergisst dieser oft diese Kontrolle und seine Gesichtszüge können verräterisch sein.
2. Blinzeln
Mal abgesehen davon, jemand braucht unbedingt eine Brille oder hat Staub in den Augen, sollte Ihr Gegenüber nicht öfter blinzeln als Sie. Denn wenn das Gehirn viele Informationen schnell verarbeiten muss, dann wird das Tempo des Blinzelns erhöht. Normalerweise wird Ihr Gegenüber blinzeln, wenn Sie eine Pause beim Sprechen machen, um die Informationen abzuspeichern. Wenn jemand lügt, braucht er jedoch extra viel Hirnleistung– und dadurch kann sich die Blinzel-Frequenz deutlich erhöhen.
3. Unstimmigkeiten
Sehr oft ist zu beobachten, dass eine Person mit „Nein“ antwortet und dabei mit dem Kopf nickt oder „Ja“ sagt und gleichzeitig den Kopf schüttelt. Lance Armstrong antwortet in verschiedenen Interviews auf Fragen, ob er frei von Doping sei, mit „Ja“ oder mit „zu 100 Prozent“ – schüttelte dabei aber mehrfach den Kopf. Die Signale waren so stark, dass es schon fast lächerlich wirkte. Diese Art von Unstimmigkeiten kann man sehr oft und leicht beobachten.
4. Hände
Schauen Sie auf die Unterschiede. Wenn jemand zum Beispiel zwei Argumente oder Situationen mit den Händen abwägt, dann hebt er vielleicht unbewusst eine Hand etwas an, weil er eher für diese Sache ist. Achten Sie darauf, wohin sein Zeigefinger oder die ganze Hand beim Sprechen zeigt. Wenn jemand bei einer Besprechung sagt: „Ich weiß nicht, wo das Problem liegt“ und dabei unbewusst auf sich oder jemanden in der Runde zeigt, kann es sein, dass er wohl eine feste Meinung davon hat, wer den Fehler begangen hat, aber sich nicht traut, diese kundzutun.
5. Das Gesicht berühren
Wenn jemand beim Sprechen sehr oft sein Gesicht oder den Hals berührt, zeugt dies von Unsicherheit. Wenn er mit der Hand häufig den Mund verdeckt oder die Nase anfasst, kann dies bedeuten, dass er darüber nichts sagen möchte oder seiner Meinung nach schon zu viel dazu gesagt hat. Das heißt dann nicht automatisch, dass diese Person lügt, aber es ist auf jeden Fall ein Zeichen von Unbehagen, von Verstecken-Wollen.
6. Gewichtsverlagerung oder Wegdrehen
Bei Menschen, die eine Konversation beenden möchten oder sich dabei unwohl fühlen, ist häufig zu beobachten, wie sie das Gewicht von einem Bein aufs andere verlagern. Manchmal verdrehen sie auch die Füße so, dass sie schon zur Türe zeigen und nur noch das Gesicht bleibt Ihnen zugewandt – aus Höflichkeit.
7. Aussprache
Bei der Aussprache stellt sich die Frage: Gibt es Abweichungen in Tempo und Rhythmus, die nicht zum Inhalt passen? Ändert sich der Sprechfluss? Spricht die Person auf einmal mit viel mehr Versprechern, Ähs und Ähms? Redet sie auf einmal viel langsamer und abgehackter? All dies können Anzeichen sein, dass jemand lügt.
8. Stimme
Wenn wir auf etwas besonders aufmerksam machen wollen, werden wir lauter, und unsere Stimmlage erhöht sich etwas. Wenn wir uns von etwas distanzieren, dann wird die Stimmlage etwas tiefer und leiser. Wenn nun jemand sich ganz gelassen geben möchteund etwas abweist, aber dabei die Stimmlage erhöht und vielleicht auch noch lauter wird, dann passt da eventuell etwas nicht zusammen und wir haben ihn/sie auf frischer Tat ertappt.
9. Worte
Lügner betonen verbal gerne, wie unschuldig sie doch seien: „Ganz ehrlich …“ oder „Du wirst mir nicht glauben, aber …“. Ein Lügner wird viel seltener „ich“ oder „mich“ verwenden und Personen, die er eigentlich gut und auch persönlich kennt, in der dritten Person oder unpersönlich ansprechen. Als Bill Clinton etwa bezüglich seiner Affäre mit Monica Lewinsky log, nannte er sie zuerst gar nicht beim Namen. So als würde er sie kaum kennen. „I did not have sexual relations with that woman.“
Ein Lügner rechtfertigt sich zudem aggressiver als normal. Er reagiert mit einer Gegenfrage, um Zeit zu gewinnen. Startet einen Gegenangriff oder weicht aus. Er erklärt wortreich seine Situation und kommt auf viel Unnötiges zu sprechen. Er antwortet, bevor er überhaupt gefragt wird.
Wichtig: Urteilen sie immer im Gesamtzusammenhang
Was Sie dabei beachten sollten: Einzelne Hinweise sind kein Beweis für eine Lüge. In Körpersprache-Ratgebern sind teilweise Ratschläge zu lesen wie: „Wenn einer die Arme vor Ihnen verschränkt, dann nimmt er eine ablehnende und defensive Haltung ein. Er ist Ihnen gegenüber verschlossen und lehnt Ihre Vorschläge ab.“ Das liest sich natürlich schön, aber so einfach kann man ein Signal nicht deuten. Sicherlich sind verschränkte Arme per se kein Zeichen von Aktivität, aber Sie sollten immer alle Körpersignale im Kontext betrachten.
Vielleicht ist es meinem Gegenüber auch nur kalt oder er hört aufmerksam zu und die verschränkten Arme sind eine bequeme Pose. Der Schlüssel zum Erfolg beim Deuten der Körperspracheist nicht die Interpretation eines einzelnen Signals, sondern das Grundverständnis, dass Sie sich auf die wesentlichen Veränderungen in der Körpersprache und beim Gesichtsausdruck konzentrieren müssen.
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