
- Wenn Alt und Jung zusammenarbeiten, kommt es häufig zu Missverständnissen
- Dabei können vor allem ältere Mitarbeiter viel tun, um dem entgegenzuwirken
- Unternehmen müssen junge Menschen besser coachen, um produktiv zu bleiben
Mit Anfang 20 habe ich mir von niemandem etwas sagen lassen. Ich war jung, ich hatte Power und wechselte regelmäßig den Job. Ich war Putzhilfe, Bauarbeiter, Apothekenaushilfe, Berater – und immer auf der Suche nach der nächsten Anstellung, die mich noch weiter nach oben katapultieren würde auf der vermeintlich so erstrebenswerten Karriereleiter. Dass ich dabei öfter auf den Rat von Älteren hätte hören sollen, kam mir damals nie in den Sinn. Es war ja mein Leben, meine Zukunft. Und ich machte mein Ding.
Fünf Jahre später bekam ich einen Mentor. Ich fing gerade bei Siemens an, da stellte man mir einen 50-jährigen Kollegen an die Seite, der mich die nächsten sechs Monate begleiten sollte. Ich wusste nicht so richtig, was ich davon zu erwarten hatte, und dachte mir damals: Was soll mir jemand, der bald in Rente geht, schon großartig über meinen Job erzählen? Es war ziemlich viel, wie mir im Nachgang bewusst wurde.
Wenn keiner die Sprache des anderen spricht
Wir sind leider in einer Zeit angekommen, in der es vielen nur um das „Höher, schneller, weiter“ geht. In der Noten zählen und Abschlüsse von Elite-Unis, und dabei wird ganz vergessen, dass es viel wichtigere Skills gibt, die einfach Zeit benötigen und nicht innerhalb gewisser Regelstudienzeiten erlernbar sind. Da treten dann gebildete und geschliffene Absolventen auf den Arbeitsmarkt, die auf der einen Seite Karriere machen, aber nicht auf ihre Work-Life-Balance verzichten wollen, weil sie nicht gelernt haben, dass man im Leben manchmal Kompromisse machen muss. Dass manches einfach länger dauert, gerade in Konzernen, und die dann enttäuscht sind, weil nicht alles so läuft, wie es ihnen in ihrem Hochgeschwindigkeitsstudium beigebracht wurde. Und dann treffen diese hyperambitionierten jungen Überflieger in ihrem ersten Unternehmen auf gelassene alte Kollegen – und wissen gar nicht, wie sie überhaupt zusammenarbeiten sollen.
Natürlich gab es schon immer Unterschiede zwischen den Generationen. Doch die jungen Menschen, die jetzt auf den Arbeitsmarkt kommen, unterscheiden sich stark von allen ihren Vorgängern. Es sind Menschen, die mit Wohlstand aufgewachsen sind, die Europa und Deutschland nur vereinigt kennen und die nie ihre eigenen Erfahrungen machen durften, weil ihre Helikoptereltern es gar nicht zugelassen hätten. Menschen, denen Dienstwagen und Boni vollkommen egal sind, weil sie lieber Freizeit möchten und trotzdem nicht schnell genug nach oben kommen können, vom Absolventen zum Senior Manager. Daneben sitzen die Alten, irritiert vom jugendlichen Selbstbewusstsein und genervt vom ständigen Smartphone-Gedaddel, das sie als respektlos und töricht und unangebracht empfinden. Und über all dem hängt die stetige Sorge, von den Jungen in Zeiten der Digitalisierung abgehängt und ersetzt zu werden.
Viele Konzerne wissen bereits um die Probleme
Dass es hierbei um viel mehr als nur um die Befindlichkeiten Einzelner geht, wird spätestens in der Unternehmensbilanz sichtbar. Wenn einzelne Mitarbeiter nicht zusammenarbeiten – weil die Jugend nicht die Sprache der Alten spricht oder ihr schlicht der Erfahrungsschatz fehlt – leidet die Produktivität. Deshalb geht es im War of Talents im Prinzip auch gar nicht in erster Linie darum, gute Mitarbeiter zu finden. Sondern darum, sie gegenseitig voneinander lernen zu lassen und sie langfristig halten zu können.
Großkonzerne wie Bosch, Siemens oder Daimler lassen sich deshalb einiges einfallen, um Alt und Jung an einen Tisch zu bringen und das Beste aus allen Generationen herauszuholen. Daimler hat beispielsweise ein Programm ins Leben gerufen, wodurch ältere, bereits im Ruhestand befindliche Mitarbeiter noch mal für sechs Monate ins Unternehmen zurückkehren, um laufende Projekte und jüngere Kollegen mit ihrem Wissen zu unterstützen. Bei Bosch werden ältere Mitarbeiter bereits während ihrer regulären Arbeitszeit mit jüngeren Mitarbeitern zusammengebracht, um kreative Ideen zu fördern und Erfahrung weiterzugeben. Dass das Technologieunternehmen jedes Jahr Tausende Patente anmeldet, führt es übrigens unter anderem auf genau diese gemischten Teams zurück.
Ältere Kollegen müssen ihren Erfahrungsschatz an die Jüngeren weitergeben
Die Beispiele oben zeigen: Unternehmen müssen ihre Aufgaben nicht besser oder generationengerechter verteilen, sondern vielmehr die Rolle eines Mentors beziehungsweise, drastischer formuliert, die Rolle der Eltern einnehmen. In dem Sinne, dass sie ihren Schützlingen nicht nur Wissen, sondern auch ein menschliches Maß beibringen: ein gewisses Mindset, Haltung, Loyalität und Gelassenheit, statt ihnen ständigen Erfolgsdruck zu vermitteln. Es geht darum, junge Menschen zu coachen und zu reifen Teilhabern auf dem Arbeitsmarkt zu erziehen. Und all das kommt eben oft erst mit steigender Lebenserfahrung, die junge Menschen noch nicht haben und von der ältere Kollegen ihnen deshalb etwas abgeben müssen.
Im Übrigen heißt das nicht, dass wir junge Menschen umerziehen sollten oder ihnen eine bestimmte Sichtweise indoktrinieren müssten. Es geht ja gerade darum, möglichst viele Sichtweisen in ein Projekt einzubringen, und dafür braucht es sowohl alte, erfahrene Kollegen als auch frische Gedanken von jungen Mitarbeitern. Was wir aber tun müssen, ist, sie abseits von Fachwissen und ambitionierten Karrierewegen an die Hand zu nehmen und ihnen zu zeigen, dass es nicht nur um das „Höher, schneller, weiter“ geht, um Noten und Performance, sondern auch um Zusammengehörigkeit, um Kompromisse und Loyalität. Denn am Ende ist jedes Unternehmen nichts anderes als ein Mehrgenerationenhaus, in dem jeder auf jeden Acht gibt und man sich arrangieren muss. Um das Beste daraus zu machen.
Vor 15 Jahren gab es weder soziale Medien noch Smartphones, agiles Arbeiten war hierzulande unbekannt. Unvorstellbar, was in den kommenden 15 Jahre alles Neues entstehen und wie sich unsere Arbeitswelt entwickeln wird! In welchen Berufen werden wir künftig überhaupt arbeiten – und wie? Wie verändert die künstliche Intelligenz den Recruiting-Prozess? Wird die Arbeitswelt von morgen gerechter sein – oder tiefer gespalten?