
Automatisierung und Digitalisierung gehören zu den größten Megatrends unserer Epoche, die unsere Lebens- und Arbeitswelt verändern, wie kaum ein anderer. Grundsätzlich gibt es Automatisierung seit Jahrhunderten, aber die Dynamik mit der sie nun voranschreitet, ist atemberaubend und der Grund, warum die Auswirkungen auf die Gesellschaft in unmittelbarer Zukunft noch vollkommen unterschätzt werden. Bei aller Sorge vor den wegfallenden Arbeitsplätzen könnte sie zugleich die Rettung unserer deutschen Wirtschaft werden, die akut bedroht ist. Die größte der drei Kernsäulen des Deutschen Exportes ist die Automobilindustrie. Mit über 185 Milliarden Euro Exportvolumen sind Autos und Autoteile unser wichtigster Sektor. Doch mit der Neuerfindung der Automobilität ist dieses Geschäftsmodell in seinen Grundfesten gefährdet. Die deutschen Kernkompetenzen „Perfekte Beherrschung der kontrollierten Explosion“, „Getriebeperfektion“ und „Markenname“ spielen in der Welt von morgen -zumindest im Massengeschäft- kaum noch eine Rolle. Das selbstfahrende Elektrofahrzeug und die damit verbundene Organisation der Automobilität benötigt völlig andere Kompetenzen, die eher in Silikon Valley als in Wolfsburg vorhanden sind. Es geht um die Organisation von Datenströmen und vernetzter Mobilität.
Viele – vor allem junge Menschen – verzichten bewusst auf den Ballast eines eigenen Fahrzeugs und warten sehnsüchtig auf diese „shared mobility“. Wie bei einem Taxi, spielt auch bei einem „Car on demand“ der Markenname keine Rolle. Der Elektroantrieb selbst ist so simpel, den kann jedes Unternehmen rund um den Globus in vergleichbarer Qualität anbieten, nur der Preis wird entscheiden.
Die Gefahren für unsere Massenhersteller kann man nicht überschätzen. Doch damit nicht genug. Ein Verbrennungsantrieb besteht aus ca. 1400 Teilen, ein Elektroantrieb aus 240. Das bedeutet mehr als 1000 Teile, die nicht mehr benötigt werden. 1000 Teile, für die es keine Zulieferbetriebe mehr braucht. 1000 Teile, für die es keine Maschinen mehr braucht, die diese Teile herstellen. 1000 Teile, für die es keine Maschinenfabriken braucht, die diese Maschinen herstellen…. Ein Dominoeffekt der Effizienz und des Grauens aus Sicht der deutschen Wirtschaft, denn der Maschinenbau ist Nummer 2 der wichtigsten Ertragssäulen Deutschlands. Und auch unsere Nummer 3, die Chemie, hängt auf das Engste mit der Automobilindustrie zusammen.
Auf den Punkt gebracht müssen wir uns massiv Sorgen machen, wie Deutschland künftig Geld verdienen will. Und hier kommt die Automatisierung als Rettungsanker gerade recht. Die Zukunft wird eine Welt sein, in der Maschinen und Computer nahezu jede Arbeit verrichten, die heute der Mensch verrichtet. Menschenleere Fabriken sind keine Utopie, sondern bereits entstehende Realität. Waren es früher einfache Aufgaben, die an die dumme Maschine delegiert werden konnten, sind es jetzt hochkomplexe Abläufe, die immer intelligentere Roboter übernehmen können. Was zunächst als Horrorvorstellung in Bezug auf Arbeitsplätze wirkt, kann zugleich ein Segen für Deutschland aber auch die Menschheitsentwicklung allgemein sein.
Was war der Grund, warum die Textilindustrie fast ausnahmslos von Europa in Länder wie Bangladesch oder Vietnam ausgewandert ist? Es waren die Lohnkosten. Dafür hat man all die Nachteile dieser Ländern in Kauf genommen. Doch wo bleibt dieses Argument in einer Zeit menschenleerer Fabriken? Jetzt schlägt wieder die Stunde der entwickelten Länder und ihrer Vorteile wie Rechts- und Planungssicherheit, Infrastruktur, hochqualifizierte Ingenieure und so weiter. Es wird plötzlich attraktiver, diese Fabriken ohne Menschen aber mit zahllosen rund um die Uhr arbeitenden Robotern ohne Gewerkschaftsvertreter, in Gebieten wie Mecklenburg-Vorpommern oder Nord-Rhein-Westfalen zu errichten. Nicht wenige Mittelständler kehren Asien inzwischen desillusioniert den Rücken, da sie mit der dortigen Korruption und Vetternwirtschaft überfordert sind.
Die Produktivität kehrt wieder zurück nach Europa. Die Globalisierung frisst ihre Kinder. Die De-Globalisierung hat begonnen. Auch durch neue Produktionsmethoden wie 3D-Druck verändert sich die Welt der Produktion. Keine Massenfertigung, die dann mit riesigen Seecontainern über die Weltmeere verbracht werden, sondern just-in-time-Produktion direkt vor Ort, direkt nach Bedarf.
Diese Produktion kann und wird hier in den Industrieländern vor Ort stattfinden. Hierfür werden wiederum Maschinenbauer, Roboterbauer und deren Ingenieure benötigt. Die Kernkompetenzen der deutschen Wirtschaft sind so modern wie selten zuvor. Autozulieferer wandeln sich zu Roboterzulieferern.
Bleibt die alles entscheidende Frage, was geschieht mit all jenen Menschen, für die wir keine Arbeit mehr haben in einer Welt, in der Maschinen Maschinen bauen, Autos und LKWs ohne Fahrer durch die Lande fahren und Drohnen autopilotiert die Waren ausliefern? Maschinen kaufen bekanntlich keine Autos. Hier setzt die Diskussion an, die in diesen Monaten erst leise, aber immer hörbarer begonnen hat. Wie beteiligen wir die Menschen an dieser explosiven Steigerung der Produktivität.
Der erste Begriff, der dazu einfällt, ist das „Bedingungslose Grundeinkommen“, das jeden Bürger ohne Pflicht mit einem grundsätzlichen Auskommen versorgt. Finanziert durch die Notenbanken oder eine angedachte Maschinensteuer. Doch diese Idee zeigt sogleich ihre Schwächen, da der Mensch von Natur aus faul ist und Anreizsysteme braucht um sich selbst entwickeln zu können. Und in der Tat haben wir genug „Arbeit“ die getan werden will. Sei es in der Pflege, im musisch- kulturellen Bereich, in der Betreuung und Unterhaltung von Kindern oder Alten. Wie viele Menschen verbringen ihre 40 Wochenstunden mit einer tumben Tätigkeit, die sie hassen aber zur Existenzsicherung tun müssen und die statt dessen lieber etwas sinnvolleres tun würden, was bis heute aber nicht honoriert wird?
Die Millionen Stunden an ehrenamtlicher Arbeit zeigen, dass es genug zu tun gibt in dieser Gesellschaft. Was, wenn man von dieser ehrenamtlichen Arbeit leben könnte? Was, wenn man ein staatliches Einkommen bezieht für all jene Tätigkeiten, die der Gesellschaft hilfreich sind? Wer eine Jugendfußballmannschaft trainiert, bekommt mehr als jener, der nichts dergleichen tut. Plötzlich wird das Menschliche, das wirklich gesellschaftlich Wertvolle honoriert, statt tumber Arbeit um ihrer selbst willen. Wie lange diese Vision bereits die Vordenker unserer Gesellschaft umtreibt, zeigt ein Blick auf die Visionen des Gründungsvaters der Europäischen Union Richard Coudenhove-Kalergi aus dem Jahr 1925: „Heute darf der Arbeiter nur zum geringsten Teile Mensch sein – weil er zum größten Teile Maschine sein muss: in der Zukunft wird die Maschine das Maschinelle, das Mechanische der Arbeit übernehmen und dem Menschen das Menschliche, das Organische überlassen. So eröffnet die Maschine die Aussicht auf Vergeistigung und Individualisierung der menschlichen Arbeit: ihre freie und schöpferische Komponente wird wachsen gegenüber der automatisch-mechanischen – die geistige gegenüber der materiellen. Dann erst wird die Arbeit aufhören, den Menschen zu entpersönlichen, zu mechanisieren, zu entwürdigen; dann erst wird die Arbeit dem Spiel, dem Sport und der freien schöpferischen Tätigkeit ähnlich werden. Sie wird nicht, wie heute, eine Geisel sein, die alles Menschliche unterdrückt – sondern ein Hilfsmittel gegen Langeweile, eine Zerstreuung und eine körperliche oder geistige Übung zur Entfaltung aller Fähigkeiten.“
Träumen wir nicht seit Jahrhunderten vom Schlaraffenland? Es könnte zum Greifen nah sein, wenn wir es richtig organisieren. Das ist kein Selbstläufer, das fällt nicht vom Himmel. Das ist Handlungs- und Gestaltungsauftrag. Freuen wir uns auf eine spannende Zukunft mit viel sinnstiftenderTätigkeit und profitieren wir bis dahin von der so oder so kommenden Entwicklung.
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